Auf ein Wort

Eine spirituelle Reise

Gedanken im Lesejahr B

32. Sonntag

Markus 12

Er, Jesus lehrte sie im Tempel und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet. Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.


Auslegung

Erstaunlich, wie gut Jesus beobachtet und so feststellt, was sich die sogenannten Schriftgelehrten alles einfallen lassen, um sich die Ehrenplätze in der Gesellschaft zu sichern.

Vermögen einsetzen!
Es lässt sich so leicht fromm leben, wenn die Absicherung in jeder Hinsicht gewährleistet ist. Jesus beobachtet weiter, und ihm fällt eine Frau auf, die ihr gesamtes Vermögen gerade dem Opferkasten im Tempel anvertraut. Wer kann so etwas tun? Ich ruhigen Gewissens nur das geben, was nach Abzug meiner eigenen Verbindlichkeiten übrig bleibt? Alles andere wäre unverantwortlich.

Wir haben es also mit berechnenden Schriftgelehrten zu tun, die viel geben und einer Frau, die am Existenzminimum lebend, alles hergibt. Wir dürfen annehmen, dass beide Gruppen wissen, was sie da tun. Sie müssen sich sicher fühlen, geben von dem, was ihre eigene Existenz nicht gefährdet. Beide geben im Tempel, wenn auch aus unterschiedlicher Motivation. Die Schriftgelehrten werden gut gerechnet haben, wir mit Vermögen, wie auch immer sie es sich angeeignet haben mögen, um zu gehen. Die Frau, eine arme Witwe, scheint im Tempel, in dem ja der Opferkasten steht, zu wissen, dass es in Gott keinen Mangel geben kann. Sie lässt jedes Berechnende außer Acht und weiß, dass sich der Gottesdienst an ihr vollzieht, indem sie bekommen wird, was zum Leben notwendig ist.

Wir werden geradezu an das Matthäusevangelium erinnert, wenn Jesus die Armen seligpreist, denn ihnen gehört das Himmelreich. Hier haben wir es offensichtlich in der markinischen Variante und mit dem gleichen Verweis auf die göttlichen Gesetze der Fürsorge zu tun.

Wer im Vermögen steht, sich ganz aus Liebe zu schenken, der wird das Leben gewinnen. Vergessen wir den Zusammenhang, in dem diese Erzählung steht, nicht. Denn sozusagen auf den Fuß kündigt Jesus die Zerstörung des steinernen Tempels an, worauf seine Passion, in der er sein Leben hingibt, folgt. In dieser Passion setzt der Sohn Gottes sein irdisches Leben ein, und wird den ewigen platz zur Rechten des Vaters zurückerlangen.